blog europa italien

Städtereise nach Genua mit Kindern

Wir reissen uns die kleine Tüte gegenseitig aus den Händen, stopfen uns die Köstlichkeiten in die Münder und nach wenigen Sekunden schauen wir enttäuscht in den Papierbehälter. Er ist leer.

Davor war er prall gefüllt mit frittierten Fischen, Crevetten, Brot- und Gemüsebällchen.

Frittiertes Meeresgetier am Hafen – das ist fast die einzige Erinnerung, die ich an meine letzte Reise nach Genua noch habe. Gekauft an einem kleinen Stand, irgendwo zwischen Altstadt und Hafen. Meine zweite Erinnerung an die Reise vor gut zwanzig Jahren: die schmalen, düsteren Gassen der Altstadt. Die «caruggi».

Auf beides treffen wir auch bei diesem Besuch in Genua, kurz nachdem wir aus der U-Bahn gestiegen sind und unser Airbnb bezogen haben. Wir stolpern aus dem Haus, landen in einer der x Altstadt-Gassen, richten uns gen Hafen aus und stehen kurz danach vor diesem kleinen Stand, an dem wir uns mit frittiertem Meeresgetier und Gemüsekugeln eindecken.

Als wir uns umdrehen, sehen wir gleich mehrere Dinge, für die Genua steht. Die Biosphäre, eine Kugel aus Glas und Stahl, in deren inneren sich eine Art Mini-Regenwald befindet. Der vierzig Meter hohe Lift, der eine Wahnsinnsaussicht über den Hafen verspricht und wie eine grosse, weisse Spinne aussieht. Das Aquarium, das als grösstes von Europa gilt. Palmen, die die neue Hafenpromenade säumen.
Und natürlich diese hässliche Brücke, eine viel befahrene Strasse, die auf einigen Metern Höhe vor der Stadt verläuft.

Exkurs: Ist Genua schön?

Genua ist keine Stadt, die einem auf den ersten Blick mit ihrer Schönheit umhaut. Im Gegenteil – Genua ist an vielen Orten hässlich. Die Autobrücke ist ein Beispiel davon, die heruntergekommenen Häuser ein anderes, die graffitiverschmierten Gassen der Altstadt ein weiteres.

Ich schwanke bei unserem Besuch in der ligurischen Hauptstadt dauernd zwischen Faszination und Unbehagen.

Faszinierend ist diese Stadt auf jeden Fall.

  • An jeder Ecke wartet eine kleine Überraschung. Zwischen renovierungsbedürftigen Häusern taucht plötzlich ein reich geschmückter Palazzo auf. Die auch bei strahlendem Sonnenschein dunkle Altstadt-Gasse öffnet sich zu einer Piazza mit geschäftigem Treiben.
  • Genua ist nicht so touristisch wie andere italienische Städte; hier trifft man in der Espressobar auf Hafenarbeiter, Strassenhändler und Bürogummis, die ihren morgendlichen Espresso am Tresen hinunterstürzen und nicht auf Schweizer und Deutsche, die in der Sonne ihre «Kaputschini» geniessen.
  • Die Sehenswürdigkeiten, die Genua bietet, sind nicht weltberühmt oder komplett überlaufen, sondern irgendwie nahbar. Sie lassen sich bei einem Spaziergang erkunden, sind – abgesehen vom Aquarium – umsonst oder zahlbar, lohnen sich für Kinder und Erwachsene.
  • Die Menschen, auf die wir in Genua treffen, sind ausnahmslos freundlich, hilfsbereit und unaufgeregt. Gerade in der Altstadt sehen wir eine Vielfalt an Menschen, ein Gewusel von armen, reichen, weissen, schwarzen, braunen, grossen, kleinen, eiligen, gemütlichen Leuten. Sie sind Touristinnen wie wir, arbeiten in einem der unzähligen Läden, befinden sich gut gekleidet auf dem Weg ins Büro, verkaufen Früchte oder Spielzeug an einem Stand in der Via di Sottoripa.

Und das Unbehagen? Es rührt nicht von den dunkeln Gassen und den teilweise doch eher shady Typen, die darin herumlungern. Wir haben uns während der Tage in Genua immer sicher und wohl gefühlt.

Mein Unbehagen kommt daher, wie Genua gebaut ist: Zwischen Meer und Bergen hat die Stadt nur wenig Platz und daher wird alles in die Höhe gebaut. Unser Airbnb liegt im achten Stock. Lifte und Standseilbahnen bringen einem in die höher gelegenen Stadtteile und wo man auch runter schaut, wird’s einem angst und bange. Zumindest mir. Für meine ausgeprägte Höhenangst ist Genua echt eine Herausforderung.

Im Hafenviertel von Genua – Porto Antico mit Kindern

Wir blenden die hässliche Brücke aus und laufen rüber zum Hafenbecken, dem Porto Antico. Der Hafen von Genua ist riesig, hat eine laaange Geschichte und ist in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Die eigentlichen Hafenanlagen befinden sich heute weiter westlich, der aufgehübschte Porto Antico ist eher eine Flaniermeile. Hier gibt es kleine Schiffe, Restaurants, Spielplätze und eine Menge Sehenswürdigkeiten.

Das Piratenschiff

«Schau mal, ein echtes Piratenschiff!», brüllt unser Sohn und galoppiert los zu diesem gigantischen, goldverzierten Segelschiff. Gerade als wir ankommen, schliesst ein Mitarbeiter die Tür zum Schiffsbauch zu – Besuchszeit für heute vorbei. Doch auch von aussen ist das Schiff beeindruckend und die Kinder lassen sich vom «bestimmt echten» Gold an den Balkonen der Kapitänskajüte blenden.

Zwei Tage später geht’s dann doch noch in den Schiffsbauch und auf Deck. Posieren am Steuerrad und vor den Kanonen inklusive.

Die Kapitänskajüte hingegen bleibt verschlossen – denn hinter der Tür gibt es nichts zu sehen. Das Piratenschiff ist nämlich kein echtes, sondern eine Kulisse für Roman Polanskis Film «Piraten». Gefälschter ist nur noch das Gold an den Balkonen. Ein tolles Erlebnis ist das Piratenschiff trotzdem.

Eintritt: € 6 für Erwachsene, € 4 für Kinder.

Galata Museo del Mare

Ebenso unecht und ebenso beindruckend ist die Galeere, die wir tags darauf besteigen. Sie wurde nach Plänen von echten Galeeren gebaut und ist ein Ausstellungsobjekt im Meeresmuseum Galata.

Dieses erstreckt sich über vier Stockwerte und bietet eine unglaubliche Vielfalt an Objekten, Informationen und Geschichten. Man lernt etwas über besagte Galeeren, über die Fischerei, über italienische Auswandererinnen und senegalesische Einwanderer.

Mich beeindruckt besonders der dritte Stock. Wir erhalten von einem Mitarbeiter einen Pass und ein Ticket und dann spielen wir eine arme italienische Familie, die von Genua aus mit dem Schiff nach Argentinien auswandert. Wir sehen, wie die Auswandererfamilien in der dritten Klasse auf dem Schiff schliefen, assen, ihr Geschäft verrichteten. Ich habe Gänsehaut.

Danach erzählen auf einen Bildschirm Einwanderer*innen aus Syrien, Senegal, Eritrea, Albanien, wie sie nach Italien gekommen sind und wir ihr Leben in diesem Land verläuft.

Die meisten Informationen im Museum sind auf Italienisch, ein Teil der Erklärungen ist auch auf Englisch übersetzt. Auf einer der Infotafeln steht in etwa: Sind die Geschichten der italienischen Auswanderer*innen etwas anderes als jene der Einwanderer*innen? Oder einfach zwei Seiten der gleichen Medaille?

Eintritt: € 38 für die ganze Familie.

Via di Sottoripa

Nach dem Museumsbesuch regnet es in Strömen und wir wollen möglichst trocken nach Hause kommen. Wie gut, dass es die Via di Sottoripa gibt. Sie verläuft zwischen dem Hafen und der Altstadt und sorgt mit ihren Bogengängen dafür, dass wir trocken bleiben. Unter den Arkaden befinden sich viele Läden und Restaurants und an Ständen werden nützliche und weniger nützliche Dinge verkauft. Auch hier gilt: Schön ist anders, spannend ist es auf jeden Fall.

Die Altstadt von Genua – getting lost in den «caruggi»

Links ein Laden, der Pistolen und Messer verkauft. Rechts ein hipper Kaffeeladen. Vorne ein Supermarkt, vor dem ein Obdachloser sitzt. Zudem ein Früchtehändler, der seine Ware in einer Garage präsentiert und auf einem Barhocker auf Kundschaft wartet. Ein Pavillon, in dem Blumen und Pflanzen verkauft werden. Ein Spezialitätenladen, in dessen Schaufenster unzählige Gläser «Pesto Genovese» gestapelt sind. Eine Kirche, in deren Sockelbau sich noch mehr Läden befinden.

Willkommen in der Altstadt von Genua, willkommen in den «caruggi»!

Es herrscht ein emsiges Treiben in den Gassen, die im hiesigen Dialekt als «caruggi» bezeichnet werden. Wir lassen uns mitziehen, laufen mal links, mal rechts und haben die Orientierung schon nach wenigen Minuten verloren. Halb so schlimm, denn obwohl Genuas Altstadt als die grösste zusammenhängende Altstadt Europas gilt, sind die Wege relativ kurz. Zudem sind die wichtigsten Sehenswürdigkeiten mit Wegweisern ausgeschildert und so findet man sich trotz Gassengewirr schnell zurecht.

Wir gleichen Stadtplan und Strassenschilder ab, schauen uns fragend an und stehen plötzlich auf einer Piazza, die mit vielen Pflanzenkübeln äusserst fotogen ist. Ein Schild bittet uns, auf die Bewohnerschaft Rücksicht zu nehmen und ihre gärtnerische Leistung zu würdigen.

Spaziergänge durch die Altstadt unternehmen wir in den nächsten Tagen einige und so entdecken wir neben den grossen Sehenswürdigkeiten wie der Kirche San Lorenzo viele schöne und weniger schöne Ecken. Genua eben.

Sehenswürdigkeiten ausserhalb der Altstadt

Doch auch ausserhalb der Altstadt bietet Genua viel. Für mich vor allem Herausforderungen in Sachen Höhenangst. Wer davon verschont ist: die Hanglage sorgt für atemberaubende Aussicht.

Die Spianata Castelletto

Auf dieser Panoramaterrasse geniessen wir eine tolle Sicht über die Altstadt und den Hafen. Mit genügend Abstand zum Geländer versuche ich, «unser» Haus ausfindig zu machen, was bei der verschachtelten Altstadt ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Hoch fahren wir mit einem der für Genua typischen Lifte, runter laufen wir. Eingedeckt mit sehr feinem Glace.

Righi

Was wir in der Schweiz gerne tun, machen wir auch hier in Genua: Wir fahren hoch auf die Righi. Auch das genuatypisch – mit der Standseilbahn. Die Sonne strahlt, die italienische Reisegruppe quasselt, die Bahn tuckert. Und schon sind wir oben angekommen, besteigen die Aussichtsterrasse und geniessen die Aussicht.

Was danach folgt, ist weniger spektakulär: Irgendwo (nur wo?) haben wir zuvor gelesen, dass es auf der Righi eine Burg gibt und wir machen uns auf die Suche. Was wir finden: Eine andere Schweizer Familie, die die Burg ebenso nicht findet, aber mit Reiseführer ausgestattet ist. Aha, wir hätten früher abbiegen müssen, auf einen Wanderweg. Wir aber latschen der Strasse entlang und irgendwie funktioniert das nicht, wie gedacht. Janu, dann halt Panini im Restaurant und wieder runter.

Piazza de Ferrari

Unten angekommen, irren wir ein wenig umher und finden uns dann auf der Piazza de Ferrari wieder. Genua kann auch gross und pompös.

Eine Städtereise nach Genua mit Kindern – unser Fazit

Genua ist eine faszinierende Stadt. Soviel steht fest. Während viele sie auf der Durchreise für einen Tag besuchen, verbrachten wir fünf Tage in der Hafenstadt und konnten einiges sehen.

Unseren Kindern hat Genua erstaunlich gut gefallen, sie rannten fröhlich durch die (autofreien!) «caruggi» und waren ganz begeistert vom Piratenschiff, den Spielplätzen, dem Meeresmuseum und dem vielen Kram, den die Strassenhändler anbieten.

0 Kommentare zu “Städtereise nach Genua mit Kindern

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert